30.04.2023
23.07.2023

Per Kirkeby und Dietrich Klinge Späte Radierungen, Skulpturen, Plastiken

Ein Treffen zweier Großer

Der eine war stets auf der Suche nach der Struktur der Natur; der andere entdeckt das We-sen dahinter. Das Grafikmuseum Stiftung Schreiner zeigt Radierungen von Per Kirkeby sowie Skulpturen von Dietrich Klinge.

Der Ort ist perfekt. Und die Namen versprechen ein kongeniales Zusammentreffen zweier Solitäre in der Kunstszene. Anlässlich seines fünften Todestages präsentiert das Grafikmuseum Stiftung Schreiner das Herzstück der grafischen Arbeit des großen dänischen Künstlers Per Kirkeby (1938 – 2018). Die ausdrucksstarken Skulpturen und Plastiken des in Franken lebenden Bildhauers Diet-rich Klinge bilden dazu einen spannenden Bogen. Die einzigartige Ausstellung lädt zu Blickwechseln auf die Natur und die Natur des Seins ein.

Per Kirkeby (1938 – 2018) zählt zu den wichtigsten Künstlern der Gegenwart. Mehr als ein halbes Jahrhundert war der Ausnahmekünstler auf der Suche nach unterschiedlichsten Ausdrucksformen. Er beteiligte sich an Happenings, filmte, schrieb Gedichte, Essays, Romane, entwarf Bühnenbilder, malte, schuf Skulpturen. Kirkeby gilt als Universalkünstler, der die Grenzen traditioneller Kunstgat-tungen sanft auflöst und sie ineinander aufgehen lässt. Es sind seine späten, in den Jahren zwi-schen 2006 und 2016 entstandenen Radierungen – vor allem Grafikserien und Zyklen – die erstmals in Bad Steben der Öffentlichkeit vorgestellt werden. 120 Leihgaben renommierter Sammlungen der Knust Kunz Gallery Editions, München und des Museums Jorn Silkeborg, Dänemark.

1957 begann Kirkeby ein Studium der Geologie in Kopenhagen. Ein Jahr später nahm er an einer Expedition nach Grönland teil. Wiederholt reiste er dorthin, untersuchte die geologischen Strukturen, promovierte über arktische Quartärgeologie. 1962 begann er seine künstlerische Ausbildung, trat in die „Experimental Art School“ in Kopenhagen ein. Bereits zwei Jahre später folgte die erste Ausstel-lung von Zeichnungen und Collagen. Kennzeichnend auch für das grafische Werk Kirkebys ist die Auseinandersetzung mit der Natur, die Erforschung von Strukturen. In seinen Arbeiten stellt Per Kirkeby Analogien zu den Prozessen in der Natur her. Seine Motive wirken nahezu organisch. Er zeigt Figürliches wie Abstraktes, die ganz großen Emotionen ebenso wie die stillen, meditativen Momente, Vorstöße nach Außen und den Rückzug nach Innen. Der Strich ist das Herzstück seiner Arbeiten. Mit ihm gibt er Struktur, macht ihn zur Linie, schafft Fläche und Raum. Mit der Reduktion auf die kleinste Bildeinheit vermag Kirkeby absolut alles zu entlocken.                                             

Reduktion ist ebenso typisches Merkmal im Werk von Dietrich Klinge. „Was mich außerdem mit Kirkeby verbindet? Die Neugier und der Entdeckergeist in Bezug auf die Natur. Kirkeby war Geolo-ge. Und ich habe bereits als Kind mit großer Leidenschaft Versteinerungen gesammelt“, sinniert Dietrich Klinge. Die Faszination für Dinge, deren Wurzeln in einer anderen Zeit liegen, für Dinge, die wie versteinert wirken, ist kennzeichnend für seinen künstlerischen Ausdruck. 

Der Bildhauer und Grafiker Dietrich Klinge (1954 in Heiligenstadt, Thüringen geboren) studierte nach einem längeren Aufenthalt in Indien, Nepal und Sikkim freie Graphik sowie Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Er lebt im mittelfränkischen Weidelbach. International ist Klinge vor allem für sein unverwechselbares skulpturales Werk bekannt, in dem er sich der menschlichen Figur widmet. Vor dem Hintergrund seiner intensiven Auseinandersetzung mit der langen Tradition dieses Themas in der bildenden Kunst, besetzt Klinge eine ganz eigene Position, die zwischen dem Klassischen und dem Zeitgenössischen vermittelt. Mit seinen abstrakt-figurativen Formen schafft er eine prägnante Bildwelt aus ganzen Figuren, Büsten, Köpfen und auch Reliefs. Aber: Klinge bildet nicht ab. Er übersetzt auch nicht. „Ich erzähle keine Geschichten. Ich zeige, was da ist“, sagt er. Er blickt tief. Seine Figuren sind für das Auge ein Zusammenspiel von Abgüssen konkreter Naturformen, von Ästen, Stämmen oder Wurzeln, die er in der Nähe seines Ateliers findet, sowie künstlerischem Artefakt. Die meist in Bronze gegossenen Holzfragmente os-zillieren zwischen Vergänglichkeit des Irdischen und dem Versuch, diese zu konservieren. In ihrer äußersten Reduktion geben sie den Blick frei auf das „Sosein“, das Wesen an sich, auf die Essenz allen Seins. Seine Arbeiten sind Deutungsangebote, die frei lassen, Freiheit gewähren – und die be-rühren. Das Grafikmuseum Schreiner zeigt 20 Skulpturen und Plastiken des Künstlers.

Die Ausstellungseröffnung findet am Sonntag, den 30. April 2023, um 11:00 Uhr, im Grafikmuseum Stiftung Schreiner, Badstraße 30, in Bad Steben statt. Begrüßung: Stefanie Barbara Schreiner, Vor-sitzende des Fördervereins. Einführung: Dr. Tobias Ertel, Grafikmuseum Stiftung Schreiner. Musi-kalische Begleitung: Peter Wrobel und Stefan Griesshammer. Der Künstler Dietrich Klinge ist anwe-send.            

Stiftung Schreiner,
Badstraße 30,
95138 Bad Steben